Vom Strand in die Nationalmannschaft 11FREUNDE

Publish date: 2024-11-21

Ein heißer Som­mertag in Buenos Aires. Mit einer Hand­voll guter Freunde und einem Ball ist Mateo Retegui auf dem Weg zum Strand. Son­nen­baden, Abkühlen im Meer, kicken mit den Jungs. Durch Zufall ist ein Scout des lokalen Top-Klubs in der Nähe und beob­achtet die Kum­pels beim bolzen. Sofort fällt ihm das fuß­bal­le­ri­sche Talent von einem der Teen­ager auf. Er spricht den jungen Kerl an und lädt ihn zu einem Pro­be­trai­ning ein. Ein paar Jahre später wird aus dem Strand­ki­cker ein Fuß­ball­profi, ein Mit­tel­stürmer und Tor­schüt­zen­könig in Argen­ti­nien. Und nun auch ein Natio­nal­spieler. Aller­dings: für Ita­lien. Hä?

Als Ita­liens Natio­nal­trainer Roberto Man­cini im Vor­feld der ersten EM-Qua­li­fi­ka­tions-Spiele seinen Kader bekannt gibt, reiben sich viele Fuß­ball­fans ver­wun­dert die Augen. Denn auf der Liste steht der Name von Mateo Retegui, eines Spie­lers also, der in Europa kaum bekannt ist. Das liegt daran, dass Retegui bisher nur in Argen­ti­nien Fuß­ball gespielt hat. Er spricht kein Wort ita­lie­nisch, doch darf auf­grund seines ita­lie­ni­schen Groß­va­ters müt­ter­li­cher­seits für die Squadra Azzura auf­laufen. Wir dachten, er würde nicht kommen wollen, aber er hat sofort zuge­sagt und wir haben ihn geholt“, so Man­cini. Für Rete­guis Zusage gibt es einen ein­fa­chen Grund: die Chance auf Spiel­praxis. Wäh­rend Argen­ti­nien mit jungen Top-Stür­mern wie Lautaro Mar­tínez und Julián Álvarez gesegnet ist, braucht Ita­lien drin­gend Ver­stär­kung im Sturm. Rete­guis Vater sagte dazu: Argen­ti­niens Natio­nal­mann­schaft? Er wurde nur einmal für die U19 berufen und das war’s.“

Der Schlä­gertyp aus Argen­ti­nien

Der ita­lie­ni­sche Natio­nal­trainer hin­gegen ver­traut seinem neuen Schütz­ling von Anfang an und stellt Retegui bei seinem Debüt in die Startelf für das pres­ti­ge­träch­tige Duell mit Eng­land. Der Stürmer zahlt das Ver­trauen zurück, nach 56 Minuten kommt er im Straf­raum an den Ball, fackelt nicht lange und trifft. Ita­lien ver­liert das Spiel mit 1:2, aber gewinnt eine neue Hoff­nung für die Mit­tel­stürm­er­po­si­tion. Retegui selbst sagt nach dem Spiel: Ich bin nicht glück­lich, weil wir ein sehr wich­tiges Spiel ver­loren haben, aber ich freue mich über das Tor.“ Dem Debüttor soll drei Tage später gegen Malta das zweite Tor im zweiten Spiel folgen – ein wuch­tiger Kopf­ball nach einer Ecke. Dabei war lange gar nicht klar, ob Stürmer über­haupt Fuß­ball spielen will.

Argen­ti­niens Natio­nal­mann­schaft? Er wurde nur einmal für die U19 berufen und das war’s.“

Mateo Retegui wird am 29. April 1999 geboren. Er wächst in einem sport­be­geis­terten Umfeld auf. Sein Vater, Carlos Retegui, war pro­fes­sio­neller Feld­ho­ckey­spieler und ver­trat Argen­ti­nien dreimal bei den olym­pi­schen Spielen. Mitt­ler­weile ist er Trainer der argen­ti­ni­schen Feld­ho­ckey-Natio­nal­mann­schaft. Sein größter Erfolg als Coach war die olym­pi­sche Gold­me­daille bei den Spielen 2016. Der Apfel fällt bekannt­lich nicht weit vom Stamm und so ver­suchte sich Mateo eben­falls im Feld­ho­ckey, genau wie seine ältere Schwester, die mitt­ler­weile Natio­nal­spie­lerin ist. Mateo aber ent­scheidet sich für den Fuß­ball und geht im Nach­wuchs des argen­ti­ni­schen Tra­di­ti­ons­verein River Plate seine ersten Schritte.

2016 ist bei seinem Jugend­verein jedoch Schluss und er wendet sich wieder dem Feld­ho­ckey zu, nur um kurze Zeit später vom Erz­ri­valen von River Plate, den Boca Juniors, wie­der­ent­deckt zu werden. Bei den Boca Juniors wird Retegui vom Mit­tel­feld­spieler zum Stürmer umge­schult und durch­läuft die Jugend­aus­wahlen des Ver­eins. 2018 gibt er sein Pro­fi­debüt – er ersetzt in den Schluss­mi­nuten Carlos Tévez. Es sollte der ein­zige Pflicht­spiel­ein­satz für Boca bleiben, es folgen zwei Leihen und mäßig erfolg­reiche Sta­tionen, bei denen Retegui jeweils viermal trifft.

In den höchsten Tönen gelobt

Eine erneute Leihe, dieses Mal zu CA Tigre, einem Verein aus Mateos Hei­mat­pro­vinz Buenos Aires, bringt den Durch­bruch. Von Anfang an ist Retegui bei seinem neuen Verein gesetzt und schießt Tore wie am Fließ­band. Am Ende der Saison 2022 liegt seine Tor­aus­beute bei 19 Tref­fern aus 27 Spielen, und er wird Tor­schüt­zen­könig der argen­ti­ni­schen Liga. Auch in der aktu­ellen Saison prä­sen­tiert sich Retegui treff­si­cher: In den ersten acht Spielen der neuen Spiel­zeit 2023 (die Saison in der argen­ti­ni­schen Liga beginnt im Januar) traf der 23-jäh­rige bereits sechs Mal und führt die Tor­schüt­zen­liste an.

Er erin­nert mich an Bati­stuta, als er zum ersten Mal nach Ita­lien kam“, sagte Roberto Man­cini. Ein großes Lob für Mateo Retegui, der zumin­dest was den Tor­rie­cher betrifft Ähn­lich­keiten zur Stürm­er­le­gende auf­weist. Neben seiner Kalt­schnäu­zig­keit besticht Retegui durch sein Kopf­ball­spiel, seine Beid­fü­ßig­keit und seinen Kör­perbau. Der 1,85-Meter-Mann hat aber auch noch Ver­bes­se­rungs­be­darf. Als klas­si­scher Tor­jäger ist er oft nicht ins Spiel ein­ge­bunden und sein Pass­spiel ist aus­bau­fähig. So konnte Retegui im Laufe seiner Kar­riere erst drei Tore in der höchsten argen­ti­ni­schen Spiel­klasse auf­legen. Poten­zial ist aber defi­nitiv vor­handen, auch wenn sein Vater mit Super­la­tiven sehr groß­zügig umgeht und seinen Sohn mit Erling Haa­land ver­gleicht: Er spielt sehr ähn­lich wie Mateo. Beid­füßig und sehr stark mit dem Kopf.“

Sehn­suchtsort Europa

Apropos Berater: Rete­guis Agent war zwei Jahre lang kein Gerin­gerer als Roma-Legende Fran­cesco Totti. Die Zusam­men­ar­beit endete im Sommer 2022, seitdem wird Retegui von seinem Vater beraten. Der über­nimmt auch die Kom­mu­ni­ka­tion mit den Medien und der Öffent­lich­keit fast voll­ständig für Mateo.„Er äußerst sich momentan nicht, weil er sehr auf­ge­regt ist, aber fühlt sich geehrt, vom Euro­pa­meister ein­be­rufen worden zu sein“, sagte Carlos Retegui im Inter­view mit der La Gaz­zetta dello Sport über das Schweigen seine Sohnes.

Ange­spro­chen auf einen poten­zi­ellen Som­mer­transfer des 23-jäh­rigen sagte sein Vater: Ich kann ver­si­chern, dass ihn viele euro­päi­sche Klubs beob­achten. Europa ist sein Traum.“ Ein Traum, dem Retegui durch seine Tore im Ita­lien-Dress ein gutes Stück näher gekommen ist, ein Traum, dem ihm etliche Ver­eine gerne erfüllen würden. Unter anderem sollen Ein­tracht Frank­furt, Bayer 04 Lever­kusen, Atle­tico Madrid, West Ham United und einige ita­lie­ni­sche Klubs am Mit­tel­stürmer inter­es­siert sein. Nicht schlecht für einen, der als Teen­ager eigent­lich nur ein wenig am Strand kicken wollte.

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